
Tatort-Schreibtisch-Autor der Woche
Kennengelernt habe ich Uwe bei der Berlinale Anfang der neunziger Jahre. Ich war kurz davor, ein Studium zu beginnen, hatte mit meinem Drehbuch-Co-Autor Peter Scheerer bereits einige Kurzfilme gedreht und schrieb für ein lokales Magazin über Film. Wir waren hungrig und besessen davon, in die Filmindustrie reinzukommen, aber hatten keinerlei Kontakte und waren wie alle Studenten knapp bei Kasse.
Uwe Boll: Furchtlos, gradlinig und gnadenlos offen
Ein Autorenportrait von Michael RoeschKennengelernt habe ich Uwe bei der Berlinale Anfang der neunziger Jahre. Ich war kurz davor, ein Studium zu beginnen, hatte mit meinem Drehbuch-Co-Autor Peter Scheerer bereits einige Kurzfilme gedreht und schrieb für ein lokales Magazin über Film. Wir waren hungrig und besessen davon, in die Filmindustrie reinzukommen, aber hatten keinerlei Kontakte und waren wie alle Studenten knapp bei Kasse.
Normalerweise aßen wir während der Berlinale bei einem billigen Italiener direkt am Bahnhof Zoo, der damals noch Treffpunkt der Junkies war. Das Restaurant war günstiger als jedes andere Restaurant in Berlin, es gab Pasta für 5 Mark. Wegen der vielen Drogenabhängigen wurden Löffel nur auf Nachfrage ausgegeben.
Da kam es uns natürlich gerade recht, dass die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen jeden Mittag ein teures italienisches Restaurant gechartert hatte und an Berlinale-Teilnehmer gratis Essen ausgab. Der Plan war vermutlich, Industrie-Größen aus dem In- und Ausland anzulocken und vom Dreh in Nordrhein-Westfalen zu überzeugen. Doch in der Realität kamen nur Filmstudenten und hungernde Filmemacher, die gerade die letzte Mark für ihren neuen Kurzfilm ausgegeben hatten.
Da saßen wir also, Fotograf Jens Volz und ich, und schlugen uns den Magen voll. Und Löffel gab es auch. Als ob das nicht schon toll genug war, hörte ich eine interessante Konversation vom Nachbartisch:
“Mein Film ist viel besser als die ganze Scheiße die hier auf der Berlinale läuft. Und ich hab sogar in 35mm gedreht.”
Bei dem Wort 35mm horchte ich auf. Anders als heute, wo jeder mit seinen drei Kumpels und einem Smartphone im Wald hinter dem Haus einen technisch halbwegs ordentlichen Film machen kann, gab es damals signifikante Einstiegshürden. Schon 16mm war teuer, aber 35mm Filmmaterial, das ging richtig ins Geld - mindestens 100.000 Euro musste man für Material und Kameramiete veranschlagen, weit mehr als sich die meisten Möchtegernfilmer leisten konnten. Und der Typ am Nachbartisch behauptete er hatte auf 35mm gedreht? Das war interessanter als das kostenlose Essen.
Ich sprach ihn an: “Du hast wirklich auf 35mm gedreht?”, und unsere Konversation startete – der Beginn unserer Freundschaft seit 25 Jahren.
Uwe lud mich zu einer Vorführung seines ersten Kinofilms ein, “German Fried Movie”. Die Vorstellung war in einem kleinen Off-Off-Kino in Kreuzberg. Ich erwartete einen vollen Saal, aber außer uns war nur ein anderer Zuschauer gekommen. Ich war verblüfft und ahnte nicht, dass dies nur ein kleiner Vorgeschmack auf den harten Weg nach Hollywood sein würde.
Es war der Beginn einer langen Reise, die uns auf von deutschen Filmen bis an die Sets 60 Millionen Dollar teurer Hollywood-Produktionen führen sollte. Zu behaupten, diese Abenteuer hätten Uwe oder mich nicht verändert, wäre sicher vermessen. Aber noch heute, mehr als ein Vierteljahrhundert und zahllose irrwitzige Abenteuer später zeichnen Uwe die gleichen Eigenschaften aus, die uns verbanden, als wir uns vor vielen Jahren auf der Berlinale trafen: Furchtlosigkeit, der Wille niemals aufzugeben, Loyalität, Humor und absolute Offenheit.
Eine der herausstechendsten unter diesen Eigenschaften ist Uwes absolute Furchtlosigkeit. Unter dem jahrzehntelangen MG-Feuer aus Problemen und Hiobsbotschaften – von Millionenklagen, Morddrohungen aus dem Internet bis zu Stars, die betrunken und mit geladenen Waffen zum Set kamen – blieb Uwe ruhig wie kein zweiter.
Eng damit verbunden ist sein Wille, niemals aufzugeben. Seien es Betrügereien von sales agents, niederschmetternde Ergebnisse an der Kinokasse oder Explosionen am Set, Uwe rappelte sich jedes Mal wieder auf und kämpfte weiter.
Und schließlich zeichnet Uwe absolute Loyalität aus. Wer sein Freund ist, der weiß, das Uwe für ihn durch die Hölle und zurück gehen würde.
Kurz gesagt: Wenn ich morgen einen Trupp für eine gefährliche Mission im Dschungel zusammenstellen müsste, dann wäre Uwe meine erste Wahl. Er wäre der last man standing, der mit dem Sack voller Diamanten aus dem Regenwald zurückkommt, als wäre nichts gewesen.
Das Ganze wird ergänzt durch Uwes Humor – schwarz und trocken, wie man ihn selbst in England nur selten findet. Noch immer ist “Postal” mein Lieblingsfilm unter Uwes Filmen, und wer Uwe kennt, der weiß, dass dies humortechnisch nur die Spitze des Eisbergs ist.
Doch von all den Eigenschaften, die Uwe auszeichnen, werden die Leser seiner Autobiographie die Offenheit am meisten zu schätzen wissen. Unter den vielen Menschen, mit denen ich im Lauf der Jahre zu tun hatte, habe ich nie jemanden getroffen, der so schonungslos und so weit über die Schmerzgrenze offen und direkt ist wie Uwe. Ob er einem bekannten deutschen Regisseur sagt, das er eigentlich dessen Film alle scheiße findet, oder nur mit Mühe davon abgebracht werden kann, einem Minister ins Gesicht zu sagen, dass er trotz der gerade für seinen Film erfolgten Förderung eigentlich alle Filmförderung zum Kotzen findet – Uwe ist niemand, der seine Meinung zurückhält oder aus Höflichkeit schweigt.
Nun ist dies schon im realen Leben eine gute Eigenschaft – weiß man doch bei Uwe immer, woran man ist – doch als Leser einer Enthüllungs-Biographie über die Filmindustrie hat man mit solch einem Autoren den Jackpot gezogen! Denn Uwe ist niemand, der eine gute Story zurückhält, um seine koksverschnupften Schauspiel-Freunde oder Botox-gespritzten Kollegen zu schützen.
In diesem Sinne, liebe Leser, schnallen sie sich an, lehnen sie sich im Lesesessel zurück, und machen sie sich bereit für eine wilde Reise in die unerforschten Tiefen Hollywoods.
Michael Roesch ist Geschäftsführer des Filmverleihs Kinostar GmbH
Uwe Boll ist Tatort-Schreibtisch-Autor und hat das Tatort-Schreibtisch-Sachbuch "ihr könnt mich mal" geschrieben.
Mehr Informationen über das Buch "Ihr könnt mich mal!"
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Da kam es uns natürlich gerade recht, dass die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen jeden Mittag ein teures italienisches Restaurant gechartert hatte und an Berlinale-Teilnehmer gratis Essen ausgab. Der Plan war vermutlich, Industrie-Größen aus dem In- und Ausland anzulocken und vom Dreh in Nordrhein-Westfalen zu überzeugen. Doch in der Realität kamen nur Filmstudenten und hungernde Filmemacher, die gerade die letzte Mark für ihren neuen Kurzfilm ausgegeben hatten.
Da saßen wir also, Fotograf Jens Volz und ich, und schlugen uns den Magen voll. Und Löffel gab es auch. Als ob das nicht schon toll genug war, hörte ich eine interessante Konversation vom Nachbartisch:
“Mein Film ist viel besser als die ganze Scheiße die hier auf der Berlinale läuft. Und ich hab sogar in 35mm gedreht.”
Bei dem Wort 35mm horchte ich auf. Anders als heute, wo jeder mit seinen drei Kumpels und einem Smartphone im Wald hinter dem Haus einen technisch halbwegs ordentlichen Film machen kann, gab es damals signifikante Einstiegshürden. Schon 16mm war teuer, aber 35mm Filmmaterial, das ging richtig ins Geld - mindestens 100.000 Euro musste man für Material und Kameramiete veranschlagen, weit mehr als sich die meisten Möchtegernfilmer leisten konnten. Und der Typ am Nachbartisch behauptete er hatte auf 35mm gedreht? Das war interessanter als das kostenlose Essen.
Ich sprach ihn an: “Du hast wirklich auf 35mm gedreht?”, und unsere Konversation startete – der Beginn unserer Freundschaft seit 25 Jahren.
Uwe lud mich zu einer Vorführung seines ersten Kinofilms ein, “German Fried Movie”. Die Vorstellung war in einem kleinen Off-Off-Kino in Kreuzberg. Ich erwartete einen vollen Saal, aber außer uns war nur ein anderer Zuschauer gekommen. Ich war verblüfft und ahnte nicht, dass dies nur ein kleiner Vorgeschmack auf den harten Weg nach Hollywood sein würde.
Es war der Beginn einer langen Reise, die uns auf von deutschen Filmen bis an die Sets 60 Millionen Dollar teurer Hollywood-Produktionen führen sollte. Zu behaupten, diese Abenteuer hätten Uwe oder mich nicht verändert, wäre sicher vermessen. Aber noch heute, mehr als ein Vierteljahrhundert und zahllose irrwitzige Abenteuer später zeichnen Uwe die gleichen Eigenschaften aus, die uns verbanden, als wir uns vor vielen Jahren auf der Berlinale trafen: Furchtlosigkeit, der Wille niemals aufzugeben, Loyalität, Humor und absolute Offenheit.
Eine der herausstechendsten unter diesen Eigenschaften ist Uwes absolute Furchtlosigkeit. Unter dem jahrzehntelangen MG-Feuer aus Problemen und Hiobsbotschaften – von Millionenklagen, Morddrohungen aus dem Internet bis zu Stars, die betrunken und mit geladenen Waffen zum Set kamen – blieb Uwe ruhig wie kein zweiter.
Eng damit verbunden ist sein Wille, niemals aufzugeben. Seien es Betrügereien von sales agents, niederschmetternde Ergebnisse an der Kinokasse oder Explosionen am Set, Uwe rappelte sich jedes Mal wieder auf und kämpfte weiter.
Und schließlich zeichnet Uwe absolute Loyalität aus. Wer sein Freund ist, der weiß, das Uwe für ihn durch die Hölle und zurück gehen würde.
Kurz gesagt: Wenn ich morgen einen Trupp für eine gefährliche Mission im Dschungel zusammenstellen müsste, dann wäre Uwe meine erste Wahl. Er wäre der last man standing, der mit dem Sack voller Diamanten aus dem Regenwald zurückkommt, als wäre nichts gewesen.
Das Ganze wird ergänzt durch Uwes Humor – schwarz und trocken, wie man ihn selbst in England nur selten findet. Noch immer ist “Postal” mein Lieblingsfilm unter Uwes Filmen, und wer Uwe kennt, der weiß, dass dies humortechnisch nur die Spitze des Eisbergs ist.
Doch von all den Eigenschaften, die Uwe auszeichnen, werden die Leser seiner Autobiographie die Offenheit am meisten zu schätzen wissen. Unter den vielen Menschen, mit denen ich im Lauf der Jahre zu tun hatte, habe ich nie jemanden getroffen, der so schonungslos und so weit über die Schmerzgrenze offen und direkt ist wie Uwe. Ob er einem bekannten deutschen Regisseur sagt, das er eigentlich dessen Film alle scheiße findet, oder nur mit Mühe davon abgebracht werden kann, einem Minister ins Gesicht zu sagen, dass er trotz der gerade für seinen Film erfolgten Förderung eigentlich alle Filmförderung zum Kotzen findet – Uwe ist niemand, der seine Meinung zurückhält oder aus Höflichkeit schweigt.
Nun ist dies schon im realen Leben eine gute Eigenschaft – weiß man doch bei Uwe immer, woran man ist – doch als Leser einer Enthüllungs-Biographie über die Filmindustrie hat man mit solch einem Autoren den Jackpot gezogen! Denn Uwe ist niemand, der eine gute Story zurückhält, um seine koksverschnupften Schauspiel-Freunde oder Botox-gespritzten Kollegen zu schützen.
In diesem Sinne, liebe Leser, schnallen sie sich an, lehnen sie sich im Lesesessel zurück, und machen sie sich bereit für eine wilde Reise in die unerforschten Tiefen Hollywoods.
Michael Roesch ist Geschäftsführer des Filmverleihs Kinostar GmbH
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