Raoul Biltgen war zu Lebzeiten stets das, was so gerne als Tausendsassa bezeichnet wird. Er tanzte auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig, trug dabei mehrere Hüte, konnte sich nicht festlegen, nicht Nein sagen, war zerfleddert und auch kaum zu fassen. Kaum zu fassen also, dass er es doch geschafft hat, auf so manchem Gebiet Dinge zu vollbringen, die andere nicht einmal hinkriegen würden, blieben sie bei einem Thema...
Raoul Biltgen aber war Schauspieler, Schriftsteller, Theatermacher, Psychotherapeut. Um nur seine beruflichen Betätigungsfelder aufzuzählen.
Als spätberufener Therapeut wagte er sich durchaus auch an die nicht so gesellschaftlich akzeptierten Klientengruppen und half wohl so manchem dabei, ein wenig Glück im Leben zu finden. Ein wenig mehr.
Als Schauspieler spielte er vor Kindern und Erwachsenen gleichermaßen, ob komisch oder tragisch, berührend im Detail oder aufbrausend und überschwänglich, stets war er überzeugend, fantastisch, fanatisch fast in Akribie und Hingabe.
Und als Schriftsteller überzeugte er als (zurecht) gefeierter und ausgezeichneter Dramatiker, abermals sowohl für Erwachsene als für Jugendliche oder Kinder, er schrieb sich die Finger wund, er wusste, was er tat, er war kaum zu bremsen, hatte bereits mit etwa 40 Jahren etwa 40 Theaterstücke verfasst, welche zudem auch noch gespielt wurden, landauf, landab, wie man so sagt, von Wien bis Hamburg und von Mexiko bis hinüber China.
Nachdem er als Lyriker debütiert hatte, war er alsbald ebenso als Prosaautor mehr als nur fleißig. Und auch hier ließen die positiven Reaktionen nicht auf sich warten. Kurzgeschichten und Romane, Krimis sowie Liebes- und Sexkolumnen, heiter Unterhaltsames, bissig Kritisches, die Tränen in die Augen treibend Sentimentales – nichts war im fremd, nichts zu blöd und nichts zu schwer.
Schließlich warf er all sein Können in einen Topf und schuf Ratgebertexte, die ihresgleichen suchten. Wenn es keine Übung aus der darstellenden Kunst gab, so suchte er nach einem therapeutischen Weg, den Menschen, die seiner Hilfe bedurften, eben diese Hilfe zu bieten. Und wenn er als Therapeut an seine Grenzen stieß (was nur äußerst selten der Fall war, in meiner Erinnerung tatsächlich nur ein einziges Mal), so wusste er doch mit praktischen Herangehensweisen, die er seinem fundierten Studium der Schauspielkunst und langjähriger Erfahrung zu verdanken hatte, dem Problem auf die Spur zu kommen.
Ja, wirklich, Raoul Biltgen war ein Hans Dampf in allen Gassen. Doch wenn er durch die Gassen dampfte, rissen die Menschen ihre Fenster auf, um ihm dabei zuzusehen, wie er volle Kraft voraus stets nach vorne blickend seinen Weg nicht ging, nein, raste.
Zu guter Letzt war er sich nicht einmal zu schade, diesen seinen eigenen Nachruf zu verfassen. Zu Lebzeiten wohlgemerkt. Was heißt zu Lebzeiten? Mitten im blühenden Leben stehend, das ihm noch so viel zu bieten hatte. Oder haben wird? Genau.
Raoul Biltgen ist Tatort-Schreibtisch-Autor und hat den Tatort-Schreibtisch-Ratgeber "Überleben vor Leuten" geschrieben. Der Text ist in dem Sammelband "Hört mir jemand zu?" erschienen. Außerdem hat der dem preisgekrönte Kurzkrimi "Zwang heilt die Natur" für die Rubrik "Tatort- Schreibtisch: Ausgezeichnet!" beigesteuert. Mehr Informationen über das Buch "Hört mir jemand zu" Buch kostenlos lesen
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