Frage der WocheIch will ein neues Buch beginnen und weiß nicht, wie ich meine Geschichte anfangen soll. Was soll ich tun?
Von Markus Stromiedel

Schaut man in der Geschichte der Literatur zurück, dann ist die "Angst vor dem weißen Blatt" nichts Ungewöhnliches. Heute sagt man vielleicht besser: die "Angst vor dem leeren Computerbildschirm"...
Der Start in ein neues Buchprojekt vergleiche ich gerne mit dem Start zu einer langen und schwierigen Wanderung. Die einen sind voller Energie und stürmen begeistert los, andere wiederum zögern, weil sie wissen, welche Probleme und Gefahren vor ihnen liegen. Wiederum andere können sich nicht entscheiden, welchen Weg sie gehen oder wie sie den ersten Schritt machen sollen.
Steckt man in einer solchen Situation des Zögerns, dann kann es hilfreich sein, einen Schritt zurückzutreten und herauszufinden, warum man nicht anfangen kann. Denn es ist ein Unterschied, wenn man, weil man keine durchdachte
Geschichte hat, oder wenn man nicht anfängst, weil man nicht weißt, wie man seine Geschichte
erzählen soll.
Wenn man "so aus dem Bauch heraus" schreibt, dann
entsteht die Geschichte beim Schreiben, und das
bedeutet, dass der Prozess, die Geschichte zu finden, mit dem
Schreibprozess verwoben ist. Dann kann es dauern, bis man weißt, was man
schreiben solltst, und dann müssen Sie das Zögern aushalten: Das ist die Zeit, die Sie brauchen, um nachzudenken und weiter in Ihre Geschichte einzudringen, bis Sie weißt, wohin die Reise geht.
Wenn Sie aber den Plot Ihrer Geschichte schon vor dem Beginn des Schreibens kennen (wozu ich raten würde), wenn Sie also alle Figuren sowie den
Fall / das Problem / den Inhalt durchdacht haben, dann können Sie sich übelegen, welche erste
Szene in die Geschichte am besten hineinführt. Etwa eine spektakuläre
oder spannende oder unheimliche Szene bei einem Genrestück, oder eine
charakterisierende Szene mit Ihrer Hauptfigur bei einem "leiseren"
Stoff. Oder was herzig-sonniges bei einem Liebesroman. Wenn Sie diese
erste Situation kennen, dann stellen Sie sich die Szene in Ihrer Phantasie vor.
Lassen Sie vor Ihrem inneren Auge die Figur loslaufen. Betrachte Sie sie bzw.
erspüren Sie die Situation.
Und dann schreiben Sie das auf.
Markus Stromiedel schreibt schon seit vielen Jahren als Autor und Drehbuchautor und blickt auf eine Reihe von sehr erfolgreichen Filmen und Büchern zurück. Der "Vater" des Kieler Tatort-Kommissars Klaus Borowski ist zudem Initiator des Autoren-Projektes "Tatort-Schreibtisch" und gib im Rahmen des Autorenpaten-Programms sein Wissen an ratsuchende Autorinnen und Autoren weiter.
Mehr Informationen über Markus Stromiedel
Mehr Informationen zum Autorenpaten-Programm
Anmerkungen? Ergänzungen? Korrekturen? weiterlesen
weniger